Die Berner Geographische Gesellschaft
Am 15. Mai 1873 abends um halb acht trafen sich in der Zunftstube zu Webern „Freunde der geographischen Wissenschaft“. Ziel war die Gründung der Berner Geographischen Gesellschaft. Diese feiert 2023 ihr 150-jähriges Bestehen. Dieser Stadtführer ist Teil der Jubiläumsaktivitäten.


Die Gründungszeit war geprägt durch den Wettlauf um Kolonien und um die Vormacht im Welthandel und damit um Absatzmärkte für Industrieprodukte. Gleichzeitig war es eine Epoche der Institutionalisierung der Wissenschaft. Geographisches Wissen wurde relevant, es ging um Naturbeschreibung, Länderkunde, insbesondere um Handel und Verkehr. Geographie war aber an den Schweizer Universitäten kaum vertreten. In den 1870er-Jahren befürchtete man, mit den Entwicklungen im Ausland nicht mithalten zu können; es fehlten Lehrstühle. Deshalb wurde in Bern 1873 die zweite Geographische Gesellschaft der Schweiz gegründet. Ziele waren die Förderung der Geographie durch Schaffen von Lehrstühlen und durch ein öffentliches Vortragsprogramm, das Erstellen von Lehrmitteln und das Organisieren von wissenschaftlichen Kongressen und Exkursionen.
In vielen Vorträgen ging es um ferne Länder. Sie waren exotische Orte, Auswanderungsziele oder mögliche Handelspartner. Den Beschreibungen haftete eine koloniale Haltung an, es gab herablassende und rassistische Äusserungen, aber auch differenziertere Beschreibungen. Andere Vorträge behandelten Themen aus der Schweiz. Ein wichtiger Teil der Aktivitäten waren Exkursionen.
Anfangs war die Gesellschaft auch ein politisches Netzwerk. Unter den Mitgliedern waren Bundesräte, Regierungsräte, hohe Beamte. Von 1888-1900 war der Berner Erziehungsminister Albert Gobat Präsident der Gesellschaft. Dass in Bern 1886 die schweizweit erste Professur für Geographie geschaffen wurde, war auch sein Verdienst. Unter Gobat öffnete sich die Universität international, in seine Zeit als Regierungsrat fällt der Bau des Hauptgebäudes.

Über 25 Jahre im Vorstand war auch Élie Ducommun. Gobat und Ducommun engagierten sich jahrzehntelang für den Frieden und waren treibende Kräfte in der Interparlamentarischen Union und dem Internationalen Friedensbüro. Beide Institutionen hatten ihren Sitz in Bern. 1902 wurden die beiden Männer mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. 1910 erhielt das Internationale Friedensbüro (damals unter der Leitung von Gobat, vorher unter der Leitung von Ducommun) als Institution den Friedensnobelpreis. Bern war vor dem Ersten Weltkrieg ein Zentrum der internationalen Friedensbewegung und Sitz zahlreicher internationaler Organisationen.
Allerdings zogen immer mehr Organisationen weg, oft nach Genf, so 1911 die Interparlamentarische Union und 1924 das Internationale Friedensbüro. Heute haben noch drei internationale Organisationen ihren Sitz in Bern: das Internationale Eisenbahntransportkomitee, die Zwischenstaatliche Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr und der Weltpostverein. Albert Gobat und Elie Ducommun gerieten dagegen lange Zeit in Vergessenheit. Er seit kurzem erinnert ein Kunstwerk im Rathaus an Gobat, auf eine Erinnerung an Ducommun warten wir in Bern noch immer.
Quellen und weiterführende Information
Cooperaxion: Bern Kolonial
Stadttour Bärn Isch Eso: Zunft zu Webern