Wasser: Ressource und Gefahr
Wasser ist in vieler Weise bedeutend für Städte. Das wird nirgends in Bern so klar wie in der Matte. Die Schwelle ist eines der ältesten Bauwerke Bern (1218 erstmals erwähnt). Hier fliesst die Aare über eine Stufe. Ein Teil des Wassers wird in einem Kanal abgezweigt und fliesst durch die Matte. Um die Bedeutung des Wassers zu verstehen, brauchen wir nur einen Blick auf die Strassennamen zu werfen: Gerberngasse, Schifflaube, Mühleplatz, Badgasse, Wasserwerkgasse, Aarstrasse. Es gibt das Restaurant Fischerstübli, den Turbinensaal, die alte Schiffländte. Damit sind die wichtigsten Funktionen des Wassers erwähnt: Transportweg, Energiegewinnung, Brauchwasser, Fischerei.
Als Transportweg wurde die Aare seit alters her genutzt. Schiffe fuhren an Markttagen ab Thun nach Bern, und Schiffe wurden aareaufwärts nach Bern gezogen. Die Matte war Umlade- und Umschlagplatz. Transportgüter waren neben landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus dem Oberland und Salz und Wein aus der Waadt auch das Holz oder die Schiffe selbst. Sie wurden flussabwärts verkauft oder zerlegt. Flösse brachten Holz und gleichzeitig Waren. Die Stämme der Flösse wurde am „Aar-Zili“ (heute Marzili) aufgetürmt.
Der Matte-Kanal führte das Wasser zur Mühle und diente als Energiequelle für Gewerbe und Industrie. Daneben lieferte die Aare auch Brauchwasser für die Gerberei. An der Badgasse befand sich früher, als viele Haushalte nicht über fliessendes Wasser verfügten, eine öffentliche Badegelegenheit – und ein Ort der Prostitution.
Gleichzeitig ist Wasser auch ein Risiko, wie mehrere Hochwassermarken zeigen. Die grössten Ereignisse der letzten Jahrzehnte waren das Hochwasser im Mai 1999, zu welchem neben anhaltenden Niederschlägen für einmal auch Schneeschmelze beitrug, und das Hochwasser im August 2005, welches durch ein Tiefdruckgebiet auf einer sogenannte Vb-Zugbahn ausgelöst wurde.
Das Mobiliar Lab für Naturrisiken am Geographischen Institut der Universität Bern simulierte die Hochwasser und Schäden im vergangenen und zukünftigen Klima. In interaktiven Karten sind die Ergebnisse visualisiert (https://www.hochwasserrisiko.ch/de), und das Portal sammelt Bilder vergangener Hochwasser. Heute steht ein integrales Risikomanagement im Zentrum, das eine breite Palette von Massnahmen umfasst, von Prävention über Vorhersage und Warnung zu Objektschutz, Verbesserung der Kommunikationswege, bauliche Massnahmen und mobile Sperren. Letztere werden in der Matte eingesetzt. Der nasse Sommer 2021 in der Schweiz hat gezeigt, dass diese Strategie erfolgreich ist. Trotz hoher Abflussmengen waren die Schäden gering.
Vor 150 Jahren war die Matte war ein Unterschichtquartier mit einem eigenen Soziolekt und der Geheimsprache Mattenenglisch (www.baernischeso.ch/hoerbeitraege/mattenenglisch-1). Die Stadt sorgte sich um grassierende Krankheiten und hohe Kindersterblichkeit. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Häuserzeilen an der Badgasse und Gerberngasse ersetzt. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte eine Gentrifizierung ein. Die Matte wurde zum Wohnort von Kulturschaffenden und Studierenden.
Quellen und weiterführende Information
Brönnimann, S. et al. (2018) 1868 – das Hochwasser, das die Schweiz veränderte. Ursachen, Folgen und Lehren für die Zukunft. Geographica Bernensia www.giub.unibe.ch/1868
Mobiliar Lab für Naturrisiken. Forschungsinitiative Hochwasserrisiko – Vom Verstehen zum Handeln.
Stadttouren von Bärn Isch Eso: