Schützenmatte

Ein Zwischen-Raum als Experimentierfeld und Brennpunkt für soziale Bewegungen

Die Schützenmatte ist ein Zwischen-Raum: zwischen Innenstadt und Bahngeleisen, zwischen Kommerz und Kulturzentrum Reithalle, zwischen Bürgertum und Randgruppen. Sie ist umringt von Verkehrsachsen, war bis vor kurzem Parkplatz und Car-Terminal, Jahrmarktplatz, berüchtigt für Nachtleben, Drogenverkauf und Polizeieinsätze. Heute ist es ein Experimentierfeld für Stadtbäume und Kultur, in Zukunft ein Stadtpark.

Zwischen-Raum war die Schützenmatte schon immer. Sie befand sich ausserhalb der Befestigungsanlage, welche in Bern während des Dreissigjährigen Krieg errichtet wurde. Sie war zwischen Stadt und Umland, genutzt für Schiessübungen. Gleichzeitig verband und verbindet sie Stadt und Umland. Die späteren Nutzungen – Reitschule, Jahrmarktplatz, Car-Terminal – unterstreichen diese Funktion.

In den 1830er-Jahren wurde die Befestigung abgebaut. Die Schützenmatte wurde zur Eingangsschneise nach Bern von Norden. Eine erste Eisenbahnbrücke führte hier über die Aare, ab 1930 die Lorrainebrücke. Das Bollwerk ist neben den Autobahnzubringern heute die meistbefahrene Strasse Berns, Lärm und Schadstoffbelastung sind hoch. Auch die Hitze ist ein Problem. Der asphaltierte Platz ist eine Hitzefalle (vgl. Ansermetplatz). Eine der Strategien dagegen ist das Pflanzen von Bäumen, die Schatten geben und Wasser verdunsten und damit kühlen. Seit November 2019 testet die Stadt Bern auf der Schützenmatte die Anpflanzung klimaresistenter Bäume, welche mit längeren Trockenphasen und heissen Sommern besser zurechtkommen als bisher verwendete Arten.

Angrenzend an die Schützenmatte, hinter der Eisenbahnbrücke, steht die 1897 gebaute städtische Reitschule. Neben einer grossen Halle für Reitunterricht befanden sich hier Ställe sowie Schuppen für Kutschen. Nach dem Aufkommen des Automobils wurden die Gebäude lange als Lagerraum genutzt. Die Reitschule wurde 1981 kurz und ab 1987 definitiv von Jugendlichen besetzt und ist seither ein alternatives Kulturzentrum. Hier gibt es ein Restaurant, Konzertlokal, Theater, Kino und vieles mehr. Mit dem Frauenraum besteht ein queer-feministischer Raum für Aktivismus, Diskurs, Kultur und Vernetzung. Die Grosse Halle dient für Veranstaltungen, Ausstellungen und Flohmärkte. Die Reitschule sieht sich als politisch-soziale Infrastruktur; ein Ort, an dem man sich kritisch mit Stadt und Gesellschaft auseinandersetzt. In der Reitschule werde kollektive Arbeitsformen gelebt, welche faire Arbeitsbedingungen und partizipative Gestaltung gewährleisten.

Seit 1981 ist die Reitschule Brennpunkt der städtisch dominierten Jugendbewegung. Sie ist ein Beispiel für Raumaneignung durch Jugendliche, welche sich den physischen und sozialen Raum als Lebensraum erschliessen. Aneignung (im Gegensatz zu Nutzung) meint, dass sie dem eine neue Bedeutung geben. Er erhält eine sozialisierende Funktion als Ort der Kommunikation und der Selbstdarstellung. Das wird auch sichtbar gemacht. Für die Stadt Bern war die Besetzung der Reitschule rückblickend eine Lösung schwelender sozialer Probleme.

Besetzung der Reitschule, Oktober 1987
Besetzung der Reitschule, Oktober 1987 (Berner Zeitung).

Quellen und weiterführende Information

Bieri, S. (2012) Vom Häuserkampf zu neuen urbanen Lebensformen. Städtische Bewegungen der 1980er-Jahre aus einer raumtheoretischen Perspektive. Transcript

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